Autorin – 99 rote Rezepte

99 rote Rezepte
99 rote Rezepte
  • von Sibylle Nicolai
  • Verleger: Eichborn Verlag, Frankfurt am Main
  • Erscheingsjahr: 2002
  • Umfang / Format: 151 Seiten; 25 cm
  • ISBN: 3821834919
  • Preis: 20,90 Euro
  • Erhältlich bei Amazon
Kommentar

Von Wolfgang Lintl

Ich beneide die Autorinnen und Autoren von Kochbüchern nicht. Eigentlich, denkt man, ist alles geschrieben, was den Gaumen erfreut oder den Magen füllt. Auch haben alle berühmten Köche schon aufgeschrieben, was sie berühmt gemacht hat. Es gibt nicht nur Abhandlungen über die Küche jedes Landes, inzwischen ist längst jede Region in ihren kulinarischen Besonderheiten zwischen zwei Buchdeckel gebracht worden. Viel bleibt nicht mehr. Wäre da nicht die Idee der Fernsehmoderatorin Sibylle Nicolai, ein rotes Kochbuch zu schreiben. Gedruckt auf rotem Papier enthält es 99 rote Rezepte. Damit auch wirklich 99 Rezepte zusammen kommen, hat die Autorin die gesamte Bandbreite der Menüfolge ausgenutzt und von einer roten Gazpacho über verlorene Eier in Rotwein, rote Paprikasauce, Rote-Bohnen-Salat, Rotkohlroulade, Kirschsorbet bis zum Hagebuttenlikör alles zusammengetragen, was sich mit der Farbe rot in Verbindung bringen lässt. Und weil inzwischen Kochbücher nicht nur bei der Zubereitung auf der Arbeitsplatte in der Küche liegen, sondern vor der Menüauswahl auch Lektüre sind, gibt es jenseits von Zutatenliste und Kochanweisung reichlich Lesefutter. Etwa von einer amerikanischen Studie, wonach Menschen, die nur fünf Sekunden auf eine rote Fläche schauen, mehr Kräfte entwickeln, als wenn sie sich blau oder rosa ansehen.

Aber es geht in dem Buch ja nicht darum, Kraftfutter zuzubereiten, sondern Sie sollen angeleitet werden, etwas Leckeres zu kochen. Der Verdacht liegt natürlich nahe, das rot mit „hot“ gleichzusetzen ist und hier rote Chilies en masse verarbeitet werden. Natürlich fehlen die entsprechenden Rezepte nicht, Tanddori-Chicken beispielsweise oder Red Chicken-Curry. Aber Rotgoldener Berberitzen-Safranreis, hat nichts mit Schärfe zu tun, sondern verspricht ein sehr andersartiges Geschmackserlebnis.

Wer mal ein ungewöhnliches Geschmackserlebnis wünscht, sollte aus dem Buch 99 rote Rezepte das süß-scharfe Hähnchen mit Berberitzen-Reis probieren:

Für zwei bis drei Personen braucht man:

ein halbes Glas Kirsch- oder Himbeermarmelade, dann aber ohne Kerne,
Saft von drei Limetten,
Pfeffersauce,
1 Teelöffel winzig klein geschnittenen Ingwer,
400 g Hähnchenbrustfilet,
eine Papaya und
eine kleine Dose Wasserkastanien.

Die bekommt man im Asia-Geschäft oder in einem gut sortieren Supermarkt. Und wer sich etwas Mühe machen möchte, kann sich bei einem persischen Lebensmittelhändler Berberitzen besorgen, das sind kleine säuerlich schmeckende getrocknete Beeren, die bei uns als Sauerdorn bekannt sind.

Zur Vorbereitung wird das Fleisch in Würfel geschnitten, ebenfalls die von Kernen und Schale befreite Papaya. Dann noch den Ingwer klitzeklein schneiden und die abgegossenen Wasserkastanien in Scheiben schneiden. Nun kann’s losgehen: die Marmelade vorsichtig in einem Topf erhitzen und flüssig werden lassen, Limettensaft, Ingwer, Muskatnuss und Pfeffersauce einrühren und beiseite stellen.

Das Hähnchenfleisch in einer Pfanne braun anbraten, die Papaya-Würfel dazu geben und einige Minuten weiter braten. Dann kommen Sauce und Wasserkastanien hinzu. Dann noch drei bis vier Minuten bei mäßiger Hitze weiter brutzeln lassen und fertig.

Fehlt nur noch der Reis. Der wird ganz normal zubereitet. Nebenbei zwei bis drei Esslöffel Berberitzen und einen Esslöffel Rosinen in etwas Öl in der Pfanne anbraten und zusammen mit ein paar Safranfäden unter den fertigen Reis mischen.

Übrigens, wenn Sie gar einen „roten“ Themenabend arrangieren wollen, gibt das Kochbuch auch dabei Hilfestellung. Auf zwei Seiten sind jeden Menge Filme aus der Videothek aufgelistet, die einen „roten“ Titel haben. Von Hitchcocks „Die rote Lola“ bis Gene Wilders „Frau in rot“ und Jürgen Rolands „Der rote Kreis“.

Aber noch mal zurück zu den Rezepten, denn sie wollen ja nicht nur lesen, sondern auch essen: Alles ist so klar beschrieben, dass man ohne die üblichen Hochglanzfotos auskommt und nicht ratlos bei der Schwiegermutter anrufen muss, um Zubereitungshilfen zu erbitten. Allerdings sind eine Menge ausgefallener Zutaten erforderlich. Von den gerade angesprochenen Berberitzen über Bockshornkleeblätter bis zu Wasserkastanien oder getrockneten Datteln. Aber das ist ja kein Problem, denn längst führen nicht nur indische oder Asialäden solche Gewürze, sondern sie stehen auch im manchem Supermarkt-Regal. Wer also gerne kocht und gerne andere Menschen mit etwas überraschen möchte, was nicht im Restaurant um die Ecke auch auf dem Speiseplan steht, der wird von Sibylle Nicolai bestens mit Ideen und Anregungen versorgt.